Seit 30 Jahren lebe ich in Essen und sehe die vielen, vielen, vielen großartigen, engagierten, mutigen, enthusiastischen, verrückten Leute, die sich so unermüdlich und gegen alle Widerstände dafür einsetzen, aus der gähnend langweiligen Einkaufsirgendwas von einer Stadt einen (er)lebenswerten Ort zu machen, der dank ihres Einsatzes mittlerweile über einige durchaus vorzeigbare Viertel mit kultureller Vielfalt und buntem Szenetreiben verfügt.
Danke an alle, die mitgestalten.

Und in dieser ganzen Zeit wiederholt sich die Geschichte vom Einzelnen, der sich gestört fühlt und sich beschwert, wenn andere das Leben leben. Diese traurigen Menschen gibt es und wird es immer geben. Ein Problem wird daraus, wenn die Behörden sich hinter ihrem starren Regelwerk verstecken (wer sich beschwert bekommt immer Recht), weil das wohl einfacher und schneller ist. Meine Freiheit endet dort, wo deine Freiheit beginnt.

Doch freiheitliches Denken und Handeln suchen wir hier vergeblich. Und es betrifft nicht nur die Gastronomen, die aufgrund der immer stärkeren Beschränkungen, erwirkt durch die Beschwerden einzelner, um ihre Existenz bangen und häufig sogar zum Aufgeben gezwungen werden. Denn wer möchte schon in einer Stadt wohnen, die geprägt ist von Verboten und Hetze und Angst, in der keine Menschen auf den Straßen stehen, in der nicht gelacht wird und in der es keine Musik gibt und wenn doch, dann bitte nur ganz leise?

Blicke ich auf den sich stets wiederholenden Konflikt zwischen Anwohnern und Gastronomen initiiert von Menschen, die zentral in lebhaften Vierteln wohnen möchten, ohne hinzunehmen, dass hiermit auch Geräusche verbunden sind, wünsche ich mir, dass wir uns wegbewegen von starren Verordnungen und eine Kultur der Eigenverantwortlichkeit entwickeln. Ich wünsche mir, dass die Menschen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen erkennen und akzeptieren lernen, so zum Beispiel, dass „mittendrin“ zu wohnen eben bedeutet, nicht zu jeder Zeit die Ruhe des Stadtrandes genießen zu können.

Friedliches Zusammenleben kann nur in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung und innerer Freiheit geschehen. Das Erleben von Freiheit entsteht aber nicht durch Verordnungen und Gesetze sondern allein durch selbstbestimmtes Handeln. Wenn ich die Konsequenzen meiner Handlungen erkenne und mich bewusst entscheide, kann (und brauche) ich mich über mögliche Einschränkungen bei niemand anderem beschweren.

Um dort, wo viele Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinandertreffen friedlich zusammenzuleben, Potenziale zu entfalten und mehr zu sein als die bloße zahlenmäßig erfassbare Ansammlung von Bewohnern einer Stadt, wünsche ich mir, dass auch die Entscheidungsträger der Beschwerdestellen bereit und in der Lage wären, eigenverantwortlich zu agieren, jede Situation individuell anzuschauen, in Kontakt zugehen, sich zu beteiligen und zu vermitteln und sich dafür einsetzen haltlosen Lügen und Hetze Einhalt zu gebieten.

Ich wünsche mir, dass die gewählten Vertreter der Bürger unserer Stadt sich nicht nur die theoretische Frage stellen, wie die Stadt, die sie verantworten, am Reißbrett aussehen soll, sondern die aktiven Kräfte fördern, die es braucht, sie lebendig zu gestalten. Und ich wünsche mir mehr Wertschätzung für alle, die sich engagieren, Menschen zusammenzubringen. Nicht mit aufwendigen und teuren one-off-Events, sondern mit Veranstaltungen und Zusammenkünften der kleinen Szenelokale in den Vierteln der Stadt, wo Kunst und Kultur ihre Wurzeln haben und wo das Herz pulsiert, das unsere Stadt am Leben erhält.

Claudia S.

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