Leute,

2022 neigt sich unaufhaltsam dem Ende zu und es naht unsere letzte Ausstellung für dieses Jahr.

Und es war ein durchaus bewegtes Jahr – mit viel gutem Willen, Hoffnung, Zweifeln, Diskussionen, durchaus auch ein wenig Frust – am Ende aber auch wieder luftigen Höhen.

Ein Jahr der Kontraste halt. Und passend dazu möchten wir euch auch unsere kommende Künstlerin präsentieren.

Charonne Herold giesst die Kontraste aus Kunst und (Eigen-)Leben quasi in Bienenwachs. Und auch mit ihrem Text hat sie ihre Gedanken und Intentionen formidabel in Worte gegossen und uns wieder einmal viel Arbeit abgenommen. Wenn das so weitergeht, werden wir noch richtig verwöhnte Bälger in Bälde … aber wer könnte die eigene Kunst im Kontext der Entstehung intimer und trefflicher beschreiben, als die Künstlerin selbst. Von daher – Dankeschön und Bitteschön:

„Über die Kunst, über mich, Dich, das Wachs und das Wachsen.

Wie langweilig ist Ruhe ohne Chaos oder eher andersherum?! Geselligsein ohne Alleinsein, Leichtigkeit ohne Schwere, Licht ohne Schatten, du weißt schon. Beides braucht seinen Platz, braucht sich gegenseitig. Diese Kontraste in uns und außerhalb von uns auszuhalten kann anstrengend sein. So anstrengend, dass wir oft genug keinen Platz für beides haben, eine Seite (mindestens) aus Gründen wegrationalisiert wird. Dabei ist es doch viel aufregender und interessanter und genussvoller und selbstbestimmter und freier – ja manchmal auch sehr anstrengend – für dich und andere, diese Vielstimmigkeit zuzulassen und anzunehmen.

Diese Kontraste tragen meine Arbeit. Sie ist in ihrer Technik traditionell (schon die alten Ägypter haben Pigmente in Bienenwachs eingebrannt), aber die Motive sind meist abstrakt und damit wohl eher modern. Die Materialien sind hochwertig wie das Bienenwachs oder die Ölfarbe und ganz alltäglich wie die Pappwabenplatten oder Zitronennetze. Der Zufall ist Teil des Prozesses, denn das Wachs lässt sich nur bedingt steuern, wenn es flüssig ist. Exaktes Schneiden, Kratzen, Drücken im ausgehärteten Wachs. Farbe einbrennen und die Kontrolle wieder verlieren. Fundstücke, besondere und vermeintlich schäbbige, bekommen einen Platz: zarte Blüten und rostiger Schrott.

Meine Kunst ist zart und kräftig. Die Farben sind laut und leise. Eingegossene Blüten wirken vage wie in Nebel gehüllt und geraten so in den Fokus. Manches muss reduziert und minimalistisch sein: Eine Blüte in einem Kreis, anderes schwelgt in der Fülle des Materials, in wirklich viel Bienenwachs.
Meine Kunst kannst du sehen und fühlen, manchmal auch riechen.

Sie ist wie ich, wie du: stimmig in ihren Widersprüchen.
Das Wachs hält dabei alles zusammen, verbindet alles zu einer ganz individuellen Einheit.

Wenn ich arbeite, ist es das, was es ausmacht: zielgerichtet vorgehen und Unvorhergesehenes zulassen, loslassen und annehmen. Kontraste aufspüren, so dass sich die Elemente von ihrer besten Seite zeigen. Viele verschiedene Materialien sind mir dabei recht, keine Hierarchien der Elemente.
Es ist ein intuitives Arbeiten, ein Fühlen, Sehen, Ausprobieren, ein Annehmen, ein Umschmeißen, ein Neue- Perspektiven-einnehmen, ein Hüpfen, ein Liegen, ein Spontansein, ein Gutzureden, ein Üben.
Es ist jedes Mal ein Prozess, eine Übung im Annehmen und Spüren, eine Huldigung des vermeintlich Unperfekten, ein Aushalten, das Feiern von Kontrasten und Unterschieden.
Ich wachse.

Sieh dir die Arbeiten an, berühre sie, was auch immer deinem Betrachtungsbedürfnis entspricht. Vielleicht helfen dir diese Ausführungen einen Zugang zu finden, vielleicht brauchst du sie nicht.
Sind all deine Widersprüche an ihrem Platz? Weiter geht’s, ab in den Strudel.
Du wächst.“

Es erübrigen sich weitere Beschreibungen.

OBACHT!
Dieses Mal ist das Anfassen der Werke ausdrücklich erwünscht.
Selten gesellt sich zum visuellen Erleben das haptische. Die Berührung des glatten Wachs, die Unterschiede in den Oberflächen – all das fügt Elemente der Sinnlichkeit und der ganz persönlichen Wahrnehmung und Assoziation hinzu. Grossartig!

Wenn ihr also nicht unmittelbar vorher eure Finger in der Pizza von gegenüber oder ähnlich unästhetischen Dingen hattet, ohne euch danach die Flossen zu waschen, dann seid ihr herzlichst eingeladen, die Augen zu schliessen und die Objekte gefühlt zu erfahren. Lasst euch das nicht entgehen – ist ja selten erlaubt.

In diesem Sinne harren wir wieder voller Vorfreude eurer – kommt reichlich und „touchy“ :-)

Charonne, Jesus und Chris

Und wie immer am Vor-Donnerstag ab 19 Uhr unser WarmUp!
Wein und Punkt!

P.S: Wir durchsuchen die Taschen am Eingang nach Dosensuppen o.Ä. :-)